Die Baur-Stiftung
Die Sammlungen der Baur-Stiftung, Museum der fernöstlichen Kunst, die beinahe 9000 Kunstobjekte aus China und Japan beinhalten, werden in einem eleganten Herrenhaus vom Ende des 19. Jahrhunderts ausgestellt. Der Schweizer Sammler Alfred Baur (1865-1951) ist der Gründer einer ausserordentlichen Sammlung kaiserlicher Keramiken, Jaden und chinesischer Tabakflaschen vom 8. bis 19. Jahrhundert, sowie japanischer Kunstobjekte wie Keramiken, Lackarbeiten, Radierungen, Netsuke und Säbelverzierungen. Seit 1995 wurde das Museum durch mehrere Schenkungen bereichert, insbesondere durch alte chinesische Lacke, chinesische Exportkeramiken, chinesische und japanische Stoffe und eine bedeutende Sammlung, die der Teezeremonie in Japan gewidmet ist. Im Bereich des Fernen Ostens sind diese Sammlungen die wichtigsten, die der Öffentlichkeit in der Schweiz zugänglich sind. Sonderausstellungen werden mehrmals pro Jahr organisiert.
Alfred Baur (1865 - 1951)
Alfred Baur wurde 1865 in Andelfingen (ZH) geboren. Nach einer Lehre in Winterthur wurde er von einem internationalen Handelshaus nach Colombo (Ceylon) geschickt, wo er kurz darauf seine eigene Firma für organische Düngemittel gründete. Die Firma A. Baur & Co. Ltd. feierte 1997 ihr 100-jähriges Bestehen.
1906 kehrte Herr Baur in die Schweiz zurück und entschied sich für Genf, die Heimatstadt seiner Frau Eugénie Baur-Duret. Er behielt die Leitung seines Unternehmens, das er weiter ausbaute und diversifizierte, insbesondere durch den Erwerb mehrerer Teeplantagen.
Mit seiner Rückkehr in die Schweiz begann auch seine Tätigkeit als Sammler von Kunstgegenständen aus Japan (Keramik, Lacke, Netsuke und Schwertschmuck) und China (Jaden). Unabhängig vom Material strebte er nach Exzellenz mit technisch und ästhetisch perfekten Werken. Als er 1924 Tomita Kumasaku, einen japanischen Händler und Experten, kennenlernte, gab er seiner Sammelleidenschaft eine neue Richtung. In Tomita traf Herr Baur einen Experten mit sicherem und raffiniertem Geschmack, der seine Ansprüche verstand. Der Grossteil seiner Sammlungen, einschliesslich aussergewöhnlicher Werke, wurde durch die Vermittlung dieses Experten erworben.
Das Jahr 1928 ist ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der Sammlungen von A. Baur. Er begann, sich für chinesische Keramik zu interessieren und stellte eine neue Sammlung zusammen, die zu seinem Hauptanliegen werden sollte. Die 756 Stücke bilden ein zusammenhängendes Ensemble, das die Aspekte dieser Kunst von der Tang-Dynastie (618–907) bis zur Qing-Dynastie (1644–1911) aufzeigt.
Kurz vor seinem Tod im Jahr 1951 erwarb Alfred Baur ein Herrenhaus in Genf, um dort seine Sammlungen unterzubringen; das Museum öffnete 1964 seine Türen für die Öffentlichkeit.
Thomas Bates Blow
Thomas Bates Blow (1853–1941) war ein leidenschaftlicher Händler und Sammler, der in Kyôto im Stadtteil Shimo-Kyoku ansässig war. Der mit einer Japanerin verheiratete Engländer war Bienenzüchter, Botaniker, Mitglied der Linnean Society und der Royal Photographic Society in London und ein Original in der Reihe der britischen Abenteurer und Entdecker. Er machte sich einen Namen und ein Vermögen, indem er in seiner Heimatstadt Welwyn eine Manufaktur für Geräte zur Bienenzucht gründete. Als begeisterter Weltenbummler bereiste er alle Kontinente. Thomas B. Blow war in England bei den Auktionshäusern und den grössten Sammlern japanischer Kunst der damaligen Zeit – Joly, Behrens, Tomkinson, Edmunds, Ransom – gut bekannt. Bei seinem Tod vermachte er dem British Museum eine Sammlung japanischer Drucke.
Alfred Baur, der ihn angeblich durch gemeinsame Beziehungen in Ceylon kennengelernt hatte, begann 1907, nachdem er sich in Genf niedergelassen hatte, über ihn japanische „Curios“ zu sammeln. T. B. Blow versorgte ihn mit Klingen, Schwertschmuck, Netsuke, Inro, Drucken, Satsuma-Keramik, Cloisonné-Kunst, geschnitzten Elfenbeinstatuetten, Bronzen, Lackschränken, aber auch mit einigen Chinoiserien mit Jaden, Lackarbeiten und Tabakflaschen. Der Händler war auch ein gelehrter Berater, der seinem Kunden ab 1919 Bücher über japanische und chinesische Kunst sowie Kataloge von Privatsammlungen und Auktionen verschaffte. Abgesehen von den Drucken gibt es in den Baur-Sammlungen jedoch nur noch wenige Spuren der mit Blows Hilfe getätigten Ankäufe, da der Sammler, der in seiner Auswahl anspruchsvoller geworden war, 1928 einen grossen Teil davon verkaufte.
Gustave Loup (1876–1961)
Gustave Loup (1876–1961) war ein in China geborener Schweizer Kaufmann, der fliessend Französisch, Englisch und Mandarin sprach. Sein Vater gehörte zu den Uhrmachern, die im 19. Jahrhundert aus dem Val-de-Travers nach Kanton, Shanghai und Tianjin zogen, um dort Uhren zu verkaufen. In den 1920er Jahren baute der Auswanderer einen Antiquitätenhandel zwischen China und der Schweiz auf und eröffnete dann in Genf das Geschäft La Chine Antique in der Rue Céard. Das Geschäft florierte etwa zehn Jahre lang, bis die Japaner sich in China gewaltsam durchsetzten und fortan weder Käufe noch Exporte möglich waren. Er verbrachte seinen Lebensabend in der Calvinstadt und bewohnte eine grosse Wohnung am Quai des Bergues, in der sich europäische und chinesische Antiquitäten, Möbel, Goldschmiedearbeiten, Porzellanvasen, Figuren, Uhren und vieles mehr in einem bunten Durcheinander anhäuften. Dieser Händler war auch für seine berühmte Uhrensammlung bekannt, die er in China gekauft und in die Schweiz gebracht hatte.
Es ist nicht bekannt, wann oder wie sich Gustave Loup und Alfred Baur kennenlernten, aber die ersten Briefe tauchten bereits 1923 auf. Ein Jahr später empfing Gustave Loup den Sammler und seine Frau in Peking. Er diente ihnen auf ihrer einzigen grossen Asienreise als Reiseführer. Zwischen den beiden Schweizern entwickelte sich zunächst ein gewisser Respekt, dann aber ein Vertrauensverhältnis, und sie tauschten zahlreiche Überlegungen über China, seine Kultur und die „Curios“ aus. Baur liess sich verführen, er kaufte viele Objekte, manchmal sogar ganze Posten. Anschliessend nahm er sich Zeit zum Nachdenken, betrachtete sie sorgfältig, behielt die schönsten Exemplare und verkaufte die weniger überzeugenden wieder. Mit der Zeit wurde der Geschmack des Sammlers geschärft, seine Ansprüche wurden immer höher und er machte sich auf die Suche nach ganz bestimmten Stücken. Auch wenn Gustave Loup den japanischen Händler Tomita Kumasaku (1872–1953) bei der Zusammenstellung seiner Sammlungen nie verdrängte, hatte Alfred Baur immer eine besondere Zuneigung zu ihm.
Tomita Kumasaku
Tomita Kumasaku (1872–1953), Sohn eines Sake-Brauereibesitzers aus der Präfektur Hyôgo, wurde 1897 vom japanischen Handelshaus, bei dem er angestellt war, nach England geschickt. Obwohl er keine direkte Verbindung zur antiken Kunst hatte, wurde Tomita 1903 von Yamanaka & Co, einer berühmten Kunsthandelsfirma aus Osaka, für ihre Londoner Filiale eingestellt, die er später bis 1922 leitete, als er nach Japan zurückkehrte und sich in Kyôto niederliess.
Während dieser Jahre bei Yamanaka & Co. 山中 hinterliess Tomita greifbare Spuren seiner Tätigkeit. Er war einer der Kuratoren der grossen Ausstellung japanischer Kunst, die 1915 vom englischen Roten Kreuz organisiert wurde, und arbeitete als Mitverfasser des Katalogs. Höchstwahrscheinlich war er am Aufbau der grossen Sammlungen orientalischer Keramik im London des frühen 20. Jahrhunderts und am wachsenden Interesse an diesem Kunstbereich beteiligt, das 1921 durch die Gründung der Oriental Ceramic Society in London verstärkt wurde.
Auf Wunsch des englischen Händlers T. B. Blow, der zu dieser Zeit Alfred Baur bei seiner Sammlung orientalischer Kunst beriet, lernte Tomita Kumasaku das Ehepaar Baur 1924 auf ihrer Reise nach Japan kennen, um sie bei der Entdeckung seines Landes zu begleiten. Von dieser ersten Begegnung an wuchs das Vertrauen zwischen den beiden Männern stetig, und gemeinsam bauten sie die Sammlungen auf, wie wir sie heute kennen.
DAS GEBÄUDE
Das am Anfang des 20. Jahrhunderts erbaute Herrenhaus in der Rue Munier-Romilly wurde kurz vor seinem Tod von Alfred Baur erworben, der seine Sammlungen asiatischer Kunst der Öffentlichkeit präsentieren wollte. Er hatte hier den intimen Rahmen gefunden, der es ihm ermöglichen sollte, ein Museum zu errichten, in dem die Besucher „nicht den Eindruck eines Museums, sondern eher den eines Privathauses haben sollten, in dem die Kunstgegenstände mit Musse betrachtet werden können“.
In den frühen 1950er Jahren erstellte das Architekturbüro Tréand père et fils Pläne für den Umbau des Gebäudes. Dieser wurde jedoch erst ab 1963 in Angriff genommen und Dr. Christoph Bernoulli aus Basel wurde mit der Innenausstattung beauftragt. Die Räume und Vitrinen wurden den auszustellenden Werken angepasst; das Erdgeschoss und der erste Stock wurden luxuriös eingerichtet. Chinesische Teppiche, englische, französische oder chinesische Möbel, Holzvertäfelungen im Stil Ludwigs XVI. und Vitrinen aus Mahagoni oder oxidiertem Metall sorgen für die intime Atmosphäre und die persönliche Note, die Herrn und Frau Baur so sehr am Herzen lagen. Im Erdgeschoss sind die Keramiken der Tang-, Song- und Ming-Dynastien sowie die Jaden ausgestellt; im ersten Stock die kaiserlichen Keramiken der Qing-Dynastie. Das zweite Stockwerk, das man über eine Treppe mit rot lackiertem Holzgeländer erreicht, ist der japanischen Kunst vorbehalten. In diesen Räumen werden Kakiemon-, Imari- und Nabeshima-Porzellan sowie Schwertschmuck, Netsuke, Drucke, Lackschreibtische und andere Inro ausgestellt. Am 9. Oktober 1964 wurden die Baur-Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
1995 wurde der Architekt Joël Jousson in Zusammenarbeit mit dem Büro Baillif & Loponte mit umfangreichen Erweiterungsarbeiten beauftragt, um das gesamte Untergeschoss auszubauen. Dadurch entstanden Räume für Sonderausstellungen, die mit prächtigen Materialien verkleidet wurden, und ein für den universitären Unterricht in Kunstgeschichte ausgestatteten Seminarraum. Dieser Erweiterungsbau wurde am 4. Dezember 1997 eingeweiht.
Aufgrund der mangelnden Isolierung der Aussenwände sowie des veralteten Mobiliars wurde 2008 unter der Leitung des Genfer Architekturbüros Bassi & Carella eine umfassende Renovierung der Räume für japanische Kunst im zweiten Stockwerk in Angriff genommen. Die neuen Räume, die im September 2010 dem Publikum zugänglich gemacht wurden, vergrösserten die verfügbare Ausstellungsfläche erheblich und ermöglichten es, bestimmte Kategorien wie Satsuma-Steinzeug und Cloisonné-Kunst zu präsentieren, die zuvor nicht zu sehen waren. Eine eigens entworfene Vitrine ermöglicht es ausserdem, Alfred Baurs bedeutende Sammlung japanischer Drucke turnusmässig auszustellen. Schliesslich werden diese japanischen Räume durch einen mit Tatami-Matten ausgelegten und einem Teezimmer nachempfundenen Raum ergänzt, in dem Gegenstände – Kalligraphie, Blumenvase, Teekessel, Schalen – ausgestellt werden, die zur Vorbereitung der japanischen Teezeremonie dienen. In all diesen Räumen finden sich die Eleganz und Exzellenz wieder, die die vorangegangenen Arbeiten bestimmt und zur einzigartigen Atmosphäre des Museums geführt hatten.
DER JAPANISCHE GARTEN
Schaffung eines Lebensraums für eine japanische Laterne des XVIII. Jahrhunderts.
Auf der Terrasse, die für Besucher nicht zugänglich ist, wurde ein Garten angelegt, der von verschiedenen Fixpunkten aus einsehbar ist: von den Fenstern und Glastüren der Ausstellungsräume im Erdgeschoss aus und von den Räumen im ersten Stock, wo es einen Blick von oben, aus der Vogelperspektive, auf den japanischen Archipel gibt.
Da sich der Garten über den Räumen im Untergeschoss befindet, konnte er nur in die Kategorie Kare Sansui oder Trockenlandschaft fallen, in der Wasser durch geharkten Kies dargestellt wird.
In solchen vom Zen-Buddhismus beeinflussten Gärten sind die Steinkompositionen reich an Symbolen; wir haben uns hier entschieden, einige davon zu beschreiben.
Drei aufrechte Steine bilden die Gruppe der drei Ehrwürdigen oder auch der buddhistischen Triade; diese Gruppe ist in 70% der Gärten zu finden und schützt die Residenz vor bösen Geistern.
Eine Gruppe von neun stark strukturierten Steinen suggeriert eine wilde Küste, ein Ufer mit Klippen, die von heftigen Wellen gepeitscht werden.
Die Kranich-Halbinsel besteht aus fünf Steinen: zwei schräg aufgerichtete Steine für die ausgebreiteten Flügel und drei andere für den Hals, den Körper und den Schwanz.
Links liegt ein Schildkröteninsel-Stein, auf dem Panzer, Kopf und Flossen zu erkennen sind; in der Nähe befindet sich ein kleiner Stein, der ebenfalls liegt und eine junge Schildkröte darstellt.
Schliesslich erhebt sich einsam der Riffstein, ein Symbol für den japanischen Archipel, der aus den Tiefen des Pazifiks emporragt.
Der Garten der Baur-Stiftung besteht aus 20 Steinen, die alle aus dem Oberwallis stammen.
Ein fünfzehn mal fünf Meter grosser Garten zum Reisen, Träumen, Entfliehen.
Pierre Rambach